3:0 gegen den bis dahin ungeschlagenen KSC, zweites Zu‑Null in Serie: Holstein Kiel liefert am 6. Spieltag die bisher kompletteste Vorstellung der Saison. Noch wichtiger als der Spielverlauf sind die Botschaften dahinter: Klarheit in der Idee, Gier in der Arbeit gegen den Ball – und echte Konkurrenz in der Offensive.
Reifeprüfung bestanden: Defensive als Fundament
Zwei Spiele, null Gegentore – Kiel hat das Fundament gefunden. Innenverteidiger David Zec fasst das Selbstverständnis der Abwehr nüchtern zusammen: „Als Verteidiger ist die erste Aufgabe, kein Tor zu kassieren. Wenn du keins zulässt, hast du mindestens einen Punkt – wir sind sehr happy und hoffen, dass diese Reise weitergeht.“
Der KSC kam zwar zu Momenten, aber Holsteins Verteidigen wirkte über 90 Minuten organisiert und robust. Jonas Krumrey setzte die Serie starker Paraden aus Schalke fort; Trainer Marcel Rapp hob den Torwart später als „ruhig, wichtig in den Momenten“ hervor: Er halte „auch mal einen entscheidenden Ball – das macht ihn sehr stabil“. Geschäftsführer Sport Olaf Rebbe sah „viele Details“ auf Kiels Seite: Intensität, Wachheit in Schlüsselaktionen und das kollektive Verteidigen nach vorn.
Gier, Klarheit, Konsequenz: Rapps Kernbotschaften
Die Selbstanalyse des Trainers ist eindeutig: Kiel minimiert die einfachen Fehler, bleibt in den Zweikämpfen griffig und hält die Laufintensität oben. „Wir waren spieldominant, ohne hunderte Chancen zu brauchen“, so Rapp. Die erste Halbzeit nannte er „sehr kontrolliert“, nach der Pause stellte Kiel aktiver und verteidigte „echt gut“. Wichtig: Keine Euphorie, kein Aktionismus – Entwicklung als Prozess. „Wir drehen nicht durch, wenn wir gewinnen – genauso wenig, wenn wir verlieren. Wir arbeiten einfach weiter.“
Bernhardsson als Taktgeber – und eine Offensive mit Variabilität
Die Offensivreihe war beweglich, vertikal, schwer greifbar. Alexander Bernhardsson kurbelte zwischen Linie und Halbräumen, bereitete zwei Treffer vor – und war, so Rapp, „ein Unterschiedsspieler“, der dem Spiel „spürbar guttut“. Rebbe lobte die „Mischung vorne – gegen den Ball wie mit Ball“, und verwies auf die Breite: Marcus Müller „reißt Räume“ und „gibt sein letztes Hemd“, Phil Harres kommt rein und trifft. Die Message: Es gibt die Qual der Wahl – und genau das hält das Niveau oben.
Phil Harres selbst blieb nach seinem 3:0 als Joker geerdet und zeigte nicht den Hauch von Egoismus: „Das Team steht im Vordergrund. Wenn alle sich pushen und füreinander reinhauen, macht alles mehr Spaß.“ Zum verschossenen Elfmeter seines Kollegen sagte er trocken: „Man muss erstmal die Eier haben, den Ball zu nehmen – Verantwortung übernommen, fertig.“
Kapralik platzt der Knoten – mit Ansage
Dass Adrian Kapralik Tempo, Tiefe und Abschlussqualität mitbringt, war bekannt. Gegen Karlsruhe kam der Durchbruch – nach aberkanntem Tor und raus geholtem Elfer blieb er eiskalt: „Nach zwei verpassten Chancen war ich kurz frustriert, aber die nächste kam schnell – und ich habe getroffen.“ Auf die Frage, ob Wut hinter dem Strahl steckte, grinste er: „Nein – ich wollte oben einschweißen. Die Position war gut, also schieße ich. Und der Pass von Alex war exzellent.“
Zum Gesamtbild wurde er grundsätzlicher: „Man sieht, dass wir Fortschritte machen. Wir spielen sehr gut – und Jonas hat uns mit vielen Paraden geholfen. Die 2. Liga ist intensiv, aber es wird von Spiel zu Spiel besser.“
Kiel aus Sicht des Gegners: „Körperlich präsenter, geistig wacher“
KSC‑Trainer Christian Eichner fand klare Worte: „Glückwunsch an Rapp und seine Mannschaft zum verdienten Sieg – körperlich robuster, präsenter und in entscheidenden Situationen frischer und wacher.“ Seine Analyse erklärt zugleich Kiels Wirkung: Dominanz ohne wilde Chancenflut, aber mit Kontrolle und Reife – plus eine Defensive, in der „alle zehn Mann“ arbeiten. Dass Karlsruhe „die zündende Idee“ vermisste, lag auch daran, dass Kiel kaum etwas anbot.
Der Kader atmet – Leistung regiert
Rapp betont seit Wochen die Breite. Gegen den KSC sah man, was das bedeutet: Sieben Veränderungen zwischen Spieltag 1 und jetzt sind kein Stilbruch, sondern gelebter Wettbewerb. „Es geht um Leistung. Viele Jungs sind nah dran – wenn einer nicht liefert, drückt der Nächste.“ Beispiele gibt es reichlich: Davidsen (stark bis zur verletzungsbedingten Auswechslung), Müller (entwickelt sich „brutal“ als Anläufer). Ergebnis: ein Kader, der intern Druck erzeugt – und nach außen Stabilität.
Sportliche Leitung zufrieden – ohne große Worte
Olaf Rebbe mochte aus dem Spiel kein großes Narrativ zimmern – und lieferte genau damit eine stimmige Einordnung: „Belegt ist, dass der eingeschlagene Weg nicht falsch ist. Zweimal zu null, Bilanz ausgeglichen – darauf lässt sich aufbauen.“ Gleichzeitig: „Das Limit ist noch nicht absehbar – es gibt Themen, in denen wir noch dringlicher werden können.“ Übersetzt: Kiel ist noch nicht fertig – und genau das ist das Spannende.
Was bleibt – und was kommt
Unterm Strich steht ein klarer Fahrplan: Kiels Fundament ist die defensive Disziplin – organisiert, laufstark, mit Krumreys Ruhe als Anker. Vorne wächst die Variabilität: Bernhardsson dirigiert, Kapralik liefert Wucht, Harres sticht als Joker, Müller reißt Räume. Dahinter greift eine Kaderkultur, die Bequemlichkeit verhindert – Einsatzzeit ist eine Frage der Leistung. Und über allem steht der Ansatz „Prozess statt Pose“: Rapp und Rebbe halten die Linie, ohne den Moment größer zu machen, als er ist.
Und der Ausblick? Elversberg auswärts. Rebbe ordnet ein: „In deren Form sind wir nicht der Favorit – aber das macht Lust auf mehr.“ Rapp bleibt bei der Arbeitsethik: wach, griffig, laufstark – und keine falsche Eitelkeit. Das 3:0 gegen Karlsruhe wirkt deshalb weniger wie ein Ausrufezeichen als wie ein Kompass: Die Richtung stimmt.
Bericht und Bild: Ole Jacobsen.