Analyse und Stimmen zum 1:1 gegen Tabellenführer Darmstadt
Holstein Kiel hat sich mit einer überzeugenden Leistung in die Länderspielpause verabschiedet. Beim 1:1 gegen den bis dato starken Spitzenreiter SV Darmstadt 98 zeigte die Mannschaft von Marcel Rapp nicht nur ihre bislang reifste Saisonleistung – sie dominierte weite Teile der Partie, ließ kaum Chancen zu und erspielte sich ein klares Chancenplus. Dass am Ende nur ein Punkt stand, war für viele Kieler enttäuschend – aber auch Anlass zur Hoffnung.
Ein Spitzenspiel – mit untypischem Ausgang
Das Duell mit den Lilien hatte durchaus Erstliga-Niveau: Temporeich, taktisch anspruchsvoll, intensiv geführt – und mit einer Holstein-Elf, die das Spiel über weite Strecken bestimmte. Laut xGoals-Wert hätte Holstein 2,37 Tore erzielen müssen, Darmstadt kam nur auf 0,61 – und war vor allem mit seiner rustikalen Innenverteidigung (Pfeiffer und Vukotic) präsent. Doch das Chancenverhältnis schlug sich erneut nicht in drei Punkten nieder. Nach dem Führungstor von Isac Lidberg (54.) war es Innenverteidiger David Zec, der mit einem Traumtor ins Kreuzeck zum Ausgleich traf (66.).
Rapp: „Da war mehr drin“
Cheftrainer Marcel Rapp zeigte sich nach dem Spiel zwar grundsätzlich zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft, haderte aber mit dem fehlenden Ertrag: „Das war eine klare Steigerung zum Spiel in Elversberg. Wir waren heute spieldominant, haben viel besser die Achter gefunden und viele gute Chancen kreiert. Es fühlt sich trotzdem zu wenig an. Es war einfach mehr drin.“
Die Offensive ist und bleibt das große Thema. Rapp dazu: „Es ist ja nicht so, dass wir keine Chancen haben – wir haben heute wieder mehrere hundertprozentige Möglichkeiten. Aber da fehlt manchmal das Quäntchen, die letzte Konsequenz. Daran arbeiten wir.“
Besonders lobte Rapp das Zusammenspiel im Zentrum und den insgesamt gereiften Auftritt seines Teams. Auch der junge Kasper Davidsen wurde hervorgehoben: „Er hat heute ein sehr gutes Spiel gemacht, sehr präsent, viel Initiative – das war stark.“
Zur Stimmungslage im Team meinte Rapp:
„Es ist jetzt ein ordentlicher Block, aus vier Spielen zwei Siege, ein Remis und eine unglückliche Niederlage. Aber es bleibt immer das Gefühl: Da war mehr drin.“
Zec trifft wie ein Stürmer
Einer, der seine Torchance genutzt hat, war David Zec – eigentlich Innenverteidiger, heute mit Offensivqualitäten. Sein sehenswerter Treffer aus 20 Metern in den Winkel war nicht nur der Ausgleich, sondern auch ein emotionales Statement. Zec bleibt trotz Tabellenplatz 10 optimistisch: „Solange es die Chance gibt, wollen wir aufsteigen. Wir müssen uns nur belohnen“, sagte er bereits am vergangenen Dienstag.
Skrzybski: „Von dem Kopfball werde ich heute Nacht noch öfter träumen“
Kapitän Steven Skrzybski hätte selbst zum Matchwinner werden können – scheiterte jedoch per Kopf aus kurzer Distanz an Darmstadt-Keeper Schuhen. „Das ärgert mich extrem. Wenn ich den Kopfball mache, wird das Spiel vielleicht ganz anders und meine Nase bleibt heil“, sagte der 31-Jährige.
Trotzdem nimmt er positive Ansätze mit: „Wenn das Manko heute ist, dass wir die Tore nicht machen, kann ich besser damit leben als nach Elversberg, wo wir kaum Chancen hatten.“ Seine Einschätzung zum Gesamtbild der Saison: „Wir haben uns in den letzten Wochen als Kollektiv deutlich verbessert. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir das Spielglück auch mal auf unsere Seite ziehen.“
Johansson: „Wir waren besser als der Tabellenführer“
Abwehrchef Carl Johansson wurde ebenfalls deutlich: „Darmstadt hatte eine Chance und macht das Tor – wir haben mehr investiert. Aus meiner Sicht waren wir das bessere Team.“
Der Schwede lobte die Balance im Spielaufbau und sieht das Team „auf dem richtigen Weg“:
„Wenn wir so weiterspielen, gewinnen wir bald auch wieder mehr Spiele.“
Knudsen: „Dominant aufgetreten – jetzt fehlt nur noch das Tor“
Auch Mittelfeldmann Magnus Knudsen sieht den Auftritt gegen Darmstadt als weiteren Schritt nach vorn:
„Wir waren sehr präsent, haben viele gute Situationen gehabt. Die Chancenverwertung ist kein Problem, sondern etwas, woran man arbeiten muss. Wenn wir weiter so spielen, werden die Tore automatisch fallen.“
Olaf Rebbe: „Ein Punkt zu wenig – aber die Richtung stimmt“
Holsteins Geschäftsführer Sport, Olaf Rebbe, zeigte sich nach dem Spiel zwiegespalten: „Wir haben gegen den Tabellenführer eine ordentliche Leistung gezeigt. Die xGoals sprechen für sich – wir hatten genug Chancen, um zu gewinnen. Aber das Ergebnis ist halt nur ein Punkt, und das ist zu wenig.“
Trotzdem will Rebbe die letzten Wochen nicht schlechtreden: „Zwei Siege, eine unglückliche Niederlage und jetzt das Remis – das zeigt, dass wir uns stabilisieren. Das müssen wir jetzt in die nächsten Spiele tragen.“
Kohfeldt lobt Holstein: „Stärkster Gegner bislang“
Ein großes Kompliment kam vom gegnerischen Trainer: Florian Kohfeldt sprach nach der Partie von einem hart erkämpften Punkt und lobte Holstein in höchsten Tönen: „Kiel war für uns der bislang stärkste Gegner – taktisch, individuell und im Gesamtbild. Es war für uns extrem schwer, die linke Seite mit Bernhardsson und Kapralik zu kontrollieren.“
Fazit: Leistung top, Ausbeute flop
Holstein Kiel hat gegen den Spitzenreiter eine bärenstarke Leistung gezeigt – und sich dafür nicht voll belohnt. Die Defensive steht, das Offensivspiel wirkt strukturierter und kreativer als zu Saisonbeginn. Wenn die Mannschaft nach der Länderspielpause weiter an der Chancenverwertung arbeitet, darf man in Kiel wieder vorsichtig nach oben schauen.
Artikel und Bild: Ole Jacobsen.