Zwischen Bilanz und Alarmsignal
Sechs Niederlagen in Folge, 0:4 zu Hause – die Worte von Trainer Alexander Blessin und Innenverteidiger Hauke Wahl nach dem Spiel gegen Gladbach lesen sich wie ein Lagebericht aus der Kabine. Beide vermeiden Ausreden, benennen aber deutlich, wo die Probleme liegen: fehlende Mentalität, zu große Abstände, mangelnder Zugriff. Es sind ehrliche Aussagen, die zeigen, dass der Ernst der Lage erkannt ist – und zugleich ein Ansatzpunkt für den Neuanfang.
Wahl: Zurück zu den Basics
Hauke Wahl, einer der erfahrensten Spieler im Kader, fand ungewöhnlich klare Worte. „Das darf so einfach nicht passieren“, sagte er und sprach offen von einer fehlenden Einstellung. Es gehe jetzt darum, wieder über die Grundlagen zu sprechen – besser verteidigen, enger stehen, Zweikämpfe annehmen, sich gegenseitig helfen. Der Innenverteidiger beschrieb, dass die Mannschaft zu viele Räume geöffnet und die Tiefe nicht gut verteidigt habe. Phasenweise habe man es verpasst, den Gegner unter Druck zu setzen. Das Wort „Mentalität“ fiel bei ihm mehrfach – ein Begriff, der bei St. Pauli lange keine Rolle spielte, nun aber sinnbildlich für die aktuelle Lage steht.
Blessin: „Wir müssen das Wir-Gefühl wiederfinden“
Wo andere Trainer oft um den heißen Brei herum reden wurde St. Pauli-Coach Alexander Blessin ungewöhnlich deutlich. Er nahm die Mannschaft, aber auch sich selbst in die Pflicht. Es gehe jetzt nicht darum, Schuldige zu suchen, sondern wieder als Einheit zu agieren. „Wir müssen das Zusammengehörigkeitsgefühl auf dem Platz wiederfinden“, sagte Blessin. Dabei gehe es um Abstände, Kompaktheit, zweite Bälle und das kollektive Verteidigen. Ohne diese Basis, so Blessin, könne keine taktische Idee funktionieren. Der Trainer sprach offen über die mentale Blockade im Team, die aus Fehlern und Verunsicherung gewachsen sei. Taktisch sei vieles besprochen worden – aber ohne Überzeugung, ohne gemeinsames Anlaufen, verpuffe jeder Matchplan.
Psychologie, Physis und ein Hoffnungsschimmer
Blessin bestätigte, dass St. Pauli derzeit nicht mit einem Mannschaftspsychologen arbeitet, sondern versucht, die Situation intern zu lösen. Das betont den Anspruch, sich aus eigener Kraft wieder herauszuziehen. Hoffnung macht immerhin die Rückkehr von Kapitän Jackson Irvine, der nach langer Pause nun zu zwei Kurzeinsätzen kam. Der Australier kann mit seiner physischen Präsenz, seiner Aggressivität und Führungsstärke eine zentrale Rolle dabei spielen, das Team mental wieder zu stabilisieren.
Fazit
Blessin stellt die richtigen Fragen, Wahl benennt die entscheidenden Punkte – jetzt liegt es an der Mannschaft, die Worte auf dem Platz mit Leben zu füllen. St. Pauli braucht wieder das, was den Start der Saison ausmachte: Laufbereitschaft, Überzeugung, Zusammenhalt. Das Licht am Millerntor ist ausgegangen, aber es kann jederzeit wieder angehen – wenn alle den Schalter gemeinsam umlegen.
Artikel und Bilder: Ole Jacobsen.
