Ein Derby, das alles hatte – und einen HSV, der lieferte

Es war mehr als ein Sieg. Es war eine Antwort. Auf Zweifel, auf Schwankungen, auf eine Woche mit Pokal-Enttäuschung und vielen Fragezeichen. Mit dem 3:2-Erfolg im Nordderby gegen Werder Bremen hat der Hamburger SV im ausverkauften Volksparkstadion nicht nur drei Punkte geholt, sondern ein emotionales Ausrufezeichen gesetzt – getragen von der Wucht des Stadions, einer reifen Leistung und einem Trainer, der genau wusste, was dieses Spiel bedeutete.

Emotion ja – Plan erst recht

Merlin Polzin hatte vor dem Derby viel über Haltung, Präsenz und Klarheit gesprochen. Und genau das bekam er. „Wir wollten ab Minute eins die Energie nutzen, die schon bei der Busankunft da war“, sagte der HSV-Coach später – ohne sich von ihr leiten zu lassen. Die Mannschaft blieb trotz der aufgeheizten Atmosphäre strukturiert, klar im Pressing und diszipliniert im Positionsspiel.

Der HSV fand gut in die Partie, gewann Zweikämpfe, kontrollierte über weite Strecken den Ball – doch wie so oft fehlte zunächst der Ertrag. Umso bitterer, dass Bremen kurz vor der Pause mit der ersten echten Aktion zuschlug. Ein Moment, der das Derby hätte kippen lassen können.

Der Volkspark schiebt – der HSV antwortet

Nach der Pause zeigte sich, was diese Mannschaft inzwischen auszeichnet. Polzin nahm taktisch Veränderungen vor und justierte die Abstände im Zentrum nach, forderte noch mehr Klarheit gegen Bremens Spiel durch die Mitte – und bekam genau das. Hamburg drückte, erhöhte den Druck, und der Ausgleich war folgerichtig.

Was dann folgte, war Derby pur. Führung HSV, Ausgleich Werder, offene Schlagabtausche – und schließlich ein Moment, der sinnbildlich für diesen Abend steht: Yussuf Poulsen. Gerade erst zurück, wochenlang außen vor, trifft der Däne nur Minuten nach seiner Einwechslung zum 3:2. Der Volkspark explodiert.

Polzin hob später genau diesen Moment hervor: nicht wegen des Tores allein, sondern wegen des Weges dorthin. Poulsen habe nie aufgehört zu arbeiten, sei ein Führungsspieler geblieben – und habe sich diesen Abend verdient.

Ein Sieg als Symbol – nicht als Endpunkt

Der Trainer machte deutlich, dass dieser Derbyerfolg für ihn mehr ist als ein einzelnes Highlight. Für Polzin steht das Spiel sinnbildlich für einen Prozess: eine neu zusammengestellte Mannschaft, sieben Jahre Zweitklassigkeit im Rücken, jetzt in der Bundesliga angekommen – und konkurrenzfähig. „Es ist nicht dieser eine Spieltag“, sagte er, „sondern der Weg, den wir gehen.“

Auch die Comeback-Qualitäten der Mannschaft hob Polzin hervor. Dass der HSV immer wieder spät zuschlägt, sei kein Zufall, sondern Ergebnis von Glaube, Fitness und gemeinsamer Überzeugung – vom Torwart bis zum Stürmer.

Der Volkspark als Mitspieler

Ein Sonderlob gab es für die Fans. Choreos, Busankunft, 90 Minuten Druck – der Volkspark war an diesem Abend mehr als Kulisse. Polzin sprach von einer gemeinsamen Energie, die auf den Platz übertragen wurde. Wichtig sei aber auch gewesen, diese Emotionen nicht zu überziehen, sondern in Leistung zu übersetzen.

Genau das gelang. Und genau deshalb fühlt sich dieses 3:2 anders an als viele Siege zuvor.

Der HSV hat das Nordderby gewonnen. Aber vor allem hat er gezeigt, dass er solche Spiele wieder tragen kann – mit Substanz, mit Mentalität und mit einem Trainer, der weiß, wie man Emotion und Kontrolle zusammenführt.

Artikel und Bild: Ole Jacobsen.