Nach dem Rücktritt von Thomas Schwantes übernimmt Karim Youssef das Traineramt beim Oberligisten Inter Türkspor Kiel. Der 53-Jährige Tunesier, der zuletzt den TSV Kronshagen trainierte, gilt als leidenschaftlicher Fußballfachmann mit klarer Linie, sozialer Ader und tiefem Verständnis für das Spiel. Im ausführlichen Gespräch mit NordKick spricht Youssef über seine Motivation, seine ersten Eindrücke, seine Arbeitsweise – und warum er nichts von „falschem Selbstbewusstsein“ hält.
Karim, nach deinem Rückzug in Kronshagen hast du vier Monate lang pausiert. Bist du wieder voller Energie – und hungrig auf Fußball?
Ja, ich fühle mich wieder einigermaßen erholt. Vor allem ist der Grund, warum ich damals aufgehört habe – meine familiäre Situation – aktuell nicht mehr so akut. Das gibt mir innerlich mehr Ruhe. Ich habe in den letzten Monaten den Akku wieder aufgeladen – und jetzt bin ich hungrig. Fußball ist für mich ein Stück Leben. Wenn ich länger nicht auf dem Platz stehen kann, fehlt mir etwas.
Du hast also in der Pause auch Fußball geschaut?
Absolut. Ich habe fast jedes Wochenende mindestens ein Spiel gesehen – vor allem Oberliga, weil ich guten Fußball sehen wollte. Ich war öfter bei meinem Freund Florian Stahl in Oldenburg und auch bei Kilia Kiel, weil mir der Stil dort gefällt. Ich beobachte gerne, wie Mannschaften sich entwickeln – das macht mir Spaß.
Inter Türkspor war in den letzten Jahren kein einfaches Pflaster für Trainer. War dir das bewusst?
Natürlich weiß ich das. Aber ich sehe das sehr locker. Ich bin da, solange ich die Mannschaft erreiche, Ergebnisse kommen und es mir Spaß macht. Wenn eines davon nicht mehr stimmt, bin ich der Erste, der geht. Ich bin nicht wegen Eitelkeit im Fußball. Wenn ich spüre, dass ich die Jungs nicht mehr mitnehme oder es aus anderen Gründen nicht mehr passt, ziehe ich meine Konsequenzen. Ich habe bislang noch nie eine Entlassung erlebt – aber falls es passiert, ist es eben so. Fußball ist ein Ergebnissport. Ich nehme das nicht persönlich. Wichtig ist, dass ich dort arbeite, wo ich gewollt bin.
Warum hast du dich jetzt für Inter entschieden?
Inter hat mich in den letzten vier, fünf Jahren mehrfach kontaktiert – das erste Mal noch, als ich in der Verbandsliga tätig war. Es hat nur zeitlich nie gepasst. Ich halte mein Wort – und damals hatte ich anderen Vereinen bereits zugesagt. Aber der Kontakt war immer gut, vor allem mit Ismail Hakki. Diesmal hat es nun endlich gepasst. Und: Ich mag Herausforderungen. Ich brauche das. So wie damals in Kronshagen, wo wir fast aus dem Nichts eine neue Mannschaft aufgebaut habe und wir in die Landesliga aufgestiegen sind. Das kitzelt mich. Inter steht unten, die Oberliga ist stark – das ist genau mein Ding.
Was waren deine ersten Eindrücke von der Mannschaft?
Ich habe das Team im Spiel gegen Oldenburg gesehen – ein 0:4. Trotzdem hat mich beeindruckt, wie sie miteinander umgegangen sind. Kein Gemecker, kein Aufgeben. Trotz Rückstand blieb die Mannschaft eine Einheit. Das ist mir wichtig. Ich kann mit Spielern arbeiten, die Charakter haben. Spielerische Qualität ist das eine, aber die inneren Werte zählen für mich genauso. Ich will keine Truppe mit acht Egoisten. Das hat mich überzeugt.
Was sind deine persönlichen Ziele – und deine sportlichen mit Inter?
Persönlich möchte ich meine Leidenschaft leben. Ich liebe Fußball. Ich sehe mich nicht als Karrieremensch, der aufsteigen muss. Ich will sehen, dass sich Spieler entwickeln, dass sie besser werden. Das ist mein Antrieb. Mit Inter möchte ich attraktiven, mutigen Fußball sehen – und natürlich möglichst die Klasse halten. Aber wichtiger ist erstmal: Freude am Spiel zurückholen, Ballbesitz mit Sinn und Leidenschaft. Und dann schauen wir, was passiert.
Wie gehst du das Projekt ohne Vorbereitung und Eingewöhnungszeit an?
Es ist herausfordernd – keine Frage. Ich kenne noch nicht alle Spieler mit Namen. Ich habe nur wenige Einheiten Zeit. Deshalb liegt mein Fokus erstmal darauf, den Jungs wieder Freude am Fußball zu vermitteln. Mentale Stärke, Vertrauen, Spielfreude – das steht am Anfang. Alles andere kommt Stück für Stück. In vier, fünf Trainingseinheiten wirst du noch keine Handschrift erkennen – aber du kannst ein Gefühl vermitteln. Das ist jetzt entscheidend.
Kennst du schon viele deiner neuen Spieler?
Einige kenne ich aus der Landesliga – wenn auch nicht persönlich. Ich habe viele Spiele verfolgt, weiß, wie sie auftreten. Ich möchte niemanden einzeln hervorheben, aber ich sehe Leidenschaft und Technik in der Truppe. Besonders beeindruckt hat mich, wie sie letzte Saison nach einer schlechten Phase wieder aufgedreht haben. Das spricht für Charakter.
Wie ist dein erster Eindruck vom Co-Trainer Lars Horstinger?
Sehr positiv. Wir kannten uns vorher nicht, aber ich war nach dem ersten Gespräch begeistert. Lars ist erfahren, ruhig, sehr angesehen in der Mannschaft – das passt zu mir. Wir ergänzen uns gut, glaube ich. Ich kann viel von ihm lernen und freue mich wirklich auf die Zusammenarbeit.
Wann werden wir den „Karim-Fußball“ auf dem Platz sehen?
(lacht) Das ist schwer zu sagen. Ich kann keine Prognose geben. Das hängt immer von der Mannschaft ab – wie schnell sie Dinge aufnimmt. Ich hoffe, dass spätestens nach der Winterpause erste klare Muster zu sehen sind. Aber ich arbeite an einer Art „Crash-Methode“, um meine Ideen schneller rüberzubringen. Ich möchte, dass wir mit einer klaren Spielidee erfolgreich Fußball spielen – aber es muss auch realistisch bleiben.
Du sprichst es an – realistisch bleiben: Schafft Inter den Klassenerhalt?
Ich weiß es nicht. Ich kann das nicht versprechen. Ich beschäftige mich mit dem, was ich beeinflussen kann: gutes Training, Entwicklung, Freude am Fußball. Wenn wir besser spielen, werden wir mehr Spiele gewinnen – und wenn wir mehr Spiele gewinnen, steigen unsere Chancen. Aber ich formuliere keine Garantien. Ich konzentriere mich auf den Weg – das Ziel ergibt sich dann vielleicht daraus. Und wenn wir Glück haben, werden wir belohnt.
Karim, danke für deine ehrlichen Antworten – und viel Erfolg mit Inter.
Danke dir, Ole. Ich freue mich auf die Aufgabe – und auf viele leidenschaftliche Spiele.
Interview: Ole Jacobsen, Bild: privat.