Holstein Kiel steht vor einem der wichtigsten Spiele der Saison – und zugleich vor einem Stimmungsumschwung, der in dieser Form neu ist. Die 0:1-Niederlage gegen Hertha BSC hat unter den Fans etwas ausgelöst, das man im Holstein-Stadion seit Jahren nicht gesehen hat: Frust, Wut, offene Ablehnung. Statt Applaus und aufmunternden Worten gab es Stinkefinger, wütende Zwischenrufe und deutliche Kritik.
Am Mittwochabend (20.45 Uhr) geht es nun im DFB-Pokal zum Hamburger SV – ein Spiel, das traditionell emotional aufgeladen ist und für die Kieler Fans einen enormen Stellenwert hat. Die Erwartung ist eindeutig: Eine Reaktion muss her.
Ein Stimmungsbild kippt
Seit dem Bundesliga-Abstieg galten die Holstein-Fans als außergewöhnlich geduldig, selbst in schwierigen Phasen. Niederlagen wurden oft mit Applaus, Zuspruch und der Botschaft „Wir stehen hinter euch“ begleitet. Doch nach mehreren schwachen Liga-Auftritten ist diese Geduld dahin.
Innenverteidiger Marco Komenda schilderte nach dem Abpfiff, wie deutlich die Reaktionen ausfielen. Er sagte, die Fans seien „sichtbar unzufrieden“ gewesen – und das könne er nachvollziehen, denn „am Ende geht es darum, Spiele zu gewinnen“. Leidenschaft und Einstellung seien gegen Hertha zwar besser gewesen, aber „es war wieder kein Sieg. Wir wollten alle gewinnen.“
Er räumte ein, dass einige Fans „nicht so nette Worte“ fanden und manche sogar den Rücken kehrten oder den Mittelfinger zeigten. Für Kieler Verhältnisse ein völlig neues Bild: „Das ist auf jeden Fall ungewohnt. Aber ich kann es verstehen. Ich will auch nicht jedes Spiel verlieren. Da habe ich auch einen dicken Hals.“
Die Mannschaft spürt die Konsequenzen
Komenda machte die Bedeutung der kommenden Aufgabe unmissverständlich klar. Für die Zuschauer und die Stadt sei das Duell beim HSV ein „sehr, sehr wichtiges Spiel“. Genau das sei auch in der Mannschaft angekommen: „Uns wurde deutlich gemacht, dass am Mittwoch ein enorm wichtiges Spiel ansteht und wir das vor Augen haben müssen.“
Rapp versucht zu beruhigen – und zu fokussieren
Trainer Marcel Rapp gab sich im Pressegespräch kontrolliert und fokussiert auf die Aufgabe, ohne die Bedeutung herunterzuspielen. Er sprach von Vorfreude auf einer großen Kulisse und davon, dass „Hamburg für die Fans ein besonderes Spiel“ sei. Eine günstige Ausgangslage könne man sich nicht aussuchen, aber: „Es ist ein sehr interessantes Los. Wir freuen uns sehr auf das Spiel.“
Zwischen Ernstfall und Chance
Für Holstein Kiel wirkt das Pokalspiel wie ein emotionaler Scheideweg. Nach der Hertha-Niederlage steht die Mannschaft in der Pflicht – nicht nur sportlich, sondern vor allem atmosphärisch. Eine nochmals wachsende Distanz zwischen Fans und Team könnte in der heißen Saisonphase gefährlich werden. Ein Pokalerfolg beim HSV dagegen hätte das Potenzial, die Stimmung zu drehen und neuen Glauben zu entfachen. Die Mannschaft weiß das – die Fans auch.
Mittwoch, 20.45 Uhr. Volksparkstadion. Holstein steht unter Strom.
Artikel und Bild: Ole Jacobsen.
