St. Paulis Befreiungsschlag und Kieler Tränen

Freitagabend – Flutlicht – kein Regen – Wahnsinns Stimmung auf den Rängen – die Bedingungen für ein packendes Nordderby in der Fußball Bundesliga hätten nicht besser sein können. Bereits 75 Minuten vor dem Anpfiff brannte es im St. Pauli-Block das erste Mal und die Fans brachten sich in Stimmung. Es herrschte eine friedliche, aber begeisternde Stimmung als die Mannschaften dann um 20.30 Uhr den Anstoß vollzogen. Die Gäste aus Kiel zeigten sofort, dass die gewillt waren deutlich körperlich präsenter aufzutreten, als es zuletzt gegen Mainz der Fall war. KSV-Trainer Marcel Rapp hatte gefordert durch „hohe Intensität mehr Ballgewinne“ zu verzeichnen. Genau das konnte er in den ersten zwanzig Minuten von seinem Team beobachten. Bereits zehn Sekunden nach dem Anpfiff hämmerte Nicolai Remberg (1.) das erste Mal auf das Tor und verfehlte es nur knapp. Die Kiez-Kicker konnten in dieser Startphase nicht eine einzige Torchance für sich verzeichnen und Holstein hingegen setzte immer wieder Nadelstiche, die aber in letzter Konsequenz keine richtige Gefahr brachten.

Plötzlich kippt die Partie und Saliakas trifft

Dennoch gelang es den Störchen sich Respekt zu verschaffen und auch das Publikum kurzzeitig etwas ruhiger werden zu lassen. Als Lewis Holtby (23.) etwas überhart an der Mittellinie, unmittelbar vor den Trainerbänken Philipp Treu wegflexte und dafür die gelbe Karte kassierte, war urplötzlich das Publikum wieder lautstark da. Dieser entfachte Funke sprang auch sofort aufs Feld über und die Mannen von Alexander Blessin wirkten fortan angezündet und zielstrebiger. Zwei Minuten später war es dann so weit und die Paulianer konnten das erste Mal in dieser Saison zu Hause so richtig ausgelassen jubeln. Nachdem Johannes Eggestein (25.) unfassbare Übersicht bewies und in den Rückraum ablegte, traf der aufgerückte, rechte Schienenspieler  Manolis Saliakas mit einem trockenen Rechtsschuss maßgenau mit Pfostenkontakt zum 1:0. „Wir sind sehr gut in die Partie gekommen, waren griffig, waren intensiv und dann kommt die erste Chance von St.Pauli  – Innenpfosten – rein. Das ist schon sehr bitter“, sah KSV-Coach Marcel Rapp sein Team in der Anfangsphase überlegen.

Holstein wirkt angeknockt und hat Glück

Während dieser Treffer die Heimelf zu beflügeln schien, wirkte Kiel in dieser Phase doch entscheidend angeknockt. Nur drei Minuten später musste Patrick Erras (28.) mit einer Monstergrätsche auf der Torlinie gegen den einschussbereiten Eggestein klären. Knapp zehn Minuten später wurde es noch einmal richtig heiß vor dem Kieler Tor: Erst sprang ein Ball von Carlo Boukhaifa an den Querbalken und anschließend traf Max Geschwill Hauke Wahls Hacke wenige Meter vor der Torlinie elfmeterwürdig. Ein Fall für den VAR, doch der Referee Felix Zwayer blieb bei seiner ersten Einschätzung und verweigerte den Gastgebend den Strafstoß. Glück für Holstein!

Arp vergibt den „Gamechanger“ vom Punkt

Doch nur wenig später gab es Foulelfmeter auf der anderen Seite. Als Lewis Holtby (43.) geistesgegenwertig einen verunglückten Kopfball-Rückpass vom Torschützen Saliakas klaute, wurde er von Pauli-Keeper Nikola Vasilj unsanft von den Beinen geholt. Es folgte der völlig unumstrittene Elfmeterpfiff. Der Ex-HSVer Jann-Fiete Arp nahm sich die Kugel und scheiterte vom Punkt mit seinem harten, aber unplatzierten Schuss am starken Vasilj. So verpasste die KSV Holstein das Momentum kurz vor dem Seitenwechsel für sich zu nutzen und es ging mit dem 1:0 in die Kabinen. „Das hätte nochmal der Gamechanger werden können, aber ich mache Fiete keinen Vorwurf“, analysiert Kapitän Lewis Holby diesen Moment.

Holstein macht nach der Pause das Spiel und wird kalt erwischt

Die Störche versuchten nun mit Wiederanpfiff das Spiel zu machen und wurden relativ schnell kalt erwischt: Nach einem Ballverlust in der gegnerischen Hälfte konterte St. Pauli blitzschnell über Oladapo Afolayan, weil Kiels Sechser Magnus Knudsen zu halbherzig in der Umschaltbewegung war und der gelb-vorbelastete Marko Ivezic nicht foulen durfte. Afolayan passte das Leder zu Eggestein, der wiederum den freistehenden Morgan Guilavogui fand und dieser keine Mühe hatte mit dem ersten Kontakt Timon Weiner im Gästetor zu überwinden.

Eggestein macht den Deckel drauf

In der Folge plätschert die Partie ein wenig vor sich hir. Während Holstein versuchte ohne groß erkennbare Idee das Spiel weiter zu machen, verteidigt St. Pauli recht konsequent. Es kam in dieser Phase zu keinen nennenswerten Möglichkeiten. Kurz vor dem Ende machte der beste Mann auf dem Platz endgültig den Deckel auf diese Partie: Nach einem Treu-Steckpass, ließ Eggestein, der somit an allen Treffern direkt beteiligt war, Weiner unglücklich aussehen und markiert aus Nahdistanz das 3:0 für die Hamburger.

Die KSV zeigt noch einmal Moral

Die KSV zeigt am Ende der Partie noch einmal Moral und kam durch einen sehenswerten Rechtsschuss ins lange Eck vom unbekümmerten Phil Harres (91.) zum 3:1 Ehrentreffer. Kurz vor dem Ende sogar fast noch das 3:2, doch Vasilj konnte eine tückische Hereingabe vom eingewechselten Armin Gigovic gerade noch an den Pfosten lenken.

Bei Becker fließen Tränen, Fans beweisen Gespür für die Situation

So blieb es am Ende beim hochverdienten 3:1 für den FC St.Pauli, der somit erst einmal die Abstiegsränge verlässt und für traurige und nachdenkliche Mienen bei den Kielern sorgt, die bei Vizekapitän Timo Becker sogar für Tränen sorgten, als sein Team erst zu Gesprächen und dann zu aufmunternden Gesängen in die Fankurve gebeten wurden. „Das Ergebnis ist ein Schlag in die Fresse für uns. Die Fans haben ein brutal gutes Gespür für die Situation. Wir stehen da in einem guten Austausch und sie wissen, dass es nichts bringen würde bei einer verunsicherten, jungen Mannschaft noch drauf zu prügeln“, lobt Holtby den Zusammenhalt mit den Störche-Fans. Holstein hat nun vorerst einen Rückstand von fünf Punkten auf den Relegationsplatz und erwartet im nächsten Heimspiel das Starensemble von RB Leipzig.